"TYSKLANDSBRIGADEN"

Die norwegische Deutschlandbrigade im Harz und in Schleswig-Holstein
1947 – 1953

Generalmajor Olav Breidlid (R)

ZUSAMMENFASSUNG AUS DEM THEMAHEFT VOM DEZEMBER 1999

Im Winter 1947 fuhren norwegische Soldaten mit dem Truppentransportschiff "Svalbard" los, um an der Besetzung von Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg mitzuwirken. Sie fuhren unter dem Motto: "Für den Frieden nach Deutschland."


Nach der Auflösung der Union mit Schweden 1905 war dies das erste Mal, dass Norwegen in Friedenszeit militärische Einheiten ins Ausland schickte. Die Teilnahme in Deutschland, die 6 Jahre lang dauerte – bis zum Frühling 1953 – und etwa 50000 Mann umfasste,kann als der Vorläufer späterer norwegischer Beiträge zu Operationen in internationaler Regie bezeichnet werden.
Die Frage der norwegischen Beteiligung an der Besetzung von Deutschland wurde schon während des Krieges in London erwähnt. Nach Verhandlungen im Frühling 1946 mit Grossbritannien, wurde Einigung erzielt, dass eine norwegische Einheit ab März 1947 in der britischen Besatzungszone stationiert werden sollte, vorläufig für 2 Jahre und mit Ablösung alle 6 Monate. Die Truppen sollten unter britischem Befehl stehen in allem, was mit dem Besatzungsauftrag zu tun hatte. In weitestem Sinne umfasste das Auflösung des deutschen Militärapparats, Abwicklung der deutschen Rüstungsindustrie, Strafverfolgung von Kriegsverbrechern und die Entfernung aller Nazis von öffentlichen Angelegenheiten. Gleichzeitig sollten die Besatzungsmächte behilflich sein mit dem Wiederaufbau nach den Zerstörungen des Krieges und mit der Einführung einer demokratischen Staatsform in Deutschland.
Die norwegischen Truppen sollten Ruhe und Ordnung innerhalb des erteilten Gebiets sichern
Ausserdem sollte militärische Ausbildung und Übung aus der Rekrutenzeit in Norwegen weitergeführt werden.
Grossbritannien wünschte ursprünglich, dass Norwegen mit etwa 12000 Mann beitragen sollte, aber auf Grund finanzieller und personalmässiger Begrenzungen, vor allem in Verbindung mit dem Zugang von qualifizierten Befehlshabern, war das viel mehr als das, womit Norwegen beitragen konnte.Auch waren nicht alle damit einverstanden, dass wir zu diesem Zeitpunkt in Deutschland beteiligt sein sollten. Da Norwegen in militärischem Sinne ein leerer Raum sei, behaupteten sowohl einige Politiker als auch die oberste militärische Führung, ein Militärwesen müsse zuerst auf eigenem Boden organisiert werden. Die politische Führung war aber der Meinung, dass Norwegen moralisch verpflichtet sei, der britische Anfrage entgegenzukommen. Das norwegische Parlament beschloss trotzdem, die Teilnahme auf nur 4400 Offiziere und Soldaten zu beschränken. Immerhin hatte das zur Folge, dass der grösste Teil der jährlichen Quote des Armees von wehrpflichtigen Truppen mindestens die Hälfte ihres Wehrdiensts in Deutschland leisten mussten.
Trotz britischer Enttäuschung über die Grösse des norwegischen Beitrags, erzielte Norwegen ein günstiges Abkommen betreffend des Mietens von notwendiger militärischer Ausrüstung. Die militärische Ausbildung wurde tatsächlich billiger in Deutschland als zu Hause. Ausserdem bekam Norwegen nach Abschluss des Aufenthalts grosse Anteile der Ausrüstung zum Eigentum.

Heistadmoen 1946. Bn 1/Brig 471.

Der norwegische Beitrag war zweiteilig und bestand aus einem Hauptquartier – „Tysklandskommandoen"(TK) – mit Stabs- , Verbindungs- , Truppenbetreuungs- und anderem Personal, insgesamt etwa 200 Personen. Der grösste Teil von diesem Personal wurde an die norwegischen Garnisonen in Deutschland verteilt. Ursprünglich sollten 100 freiwillige, weibliche Soldaten („K-Soldaten") in den TKs dienen, aber nach einer hitzigen Debatte und grossem Widerstand in der norwegischen Öffentlichkeit beschloss das Parlament im Dezember 1946, dass alle militärische Ausbildung von Frauen aufhören solle, bis die Frage des Wehrdienstes für Frauen gründlicher erörtert worden sei. Es sollte tatsächlich 30 Jahre



vergehen, bis es für Frauen erlaubt wurde, freiwilligen Militärdienst als Soldaten oder Offiziere in der norwegischen Abwehr zu leisten.
Die wichtigste militärische Einheit in dem norwegischen Beitrag war eine reduzierte Feldbrigade – „Tysklandsbrigaden" (The Independent Norwegian Brigade Group) . Die Grösse der Brigade sollte nicht 4200 Mann übersteigen, was 1400-1800 weniger war als normal für eine solche selbständige, zusammengesetzte Einheit. Man musste auf wichtige Glieder, die für eine vollständige Ausbildung und einen selbständigen Auftritt im Feld notwendig waren, verzichten. Für die Durchführung der Besatzungsaufgaben war das von geringer Bedeutung. Als die Einheiten aber nach dem Ausbruch des Koreakrieges beauftragt wurden, Schleswig-Holstein zu verteidigen, hätten die erwähnten Mängel zu einem reduzierten Streit- und Überlebensvermögen führen können.
Der Oberbefehlshaber des TK war Generalmajor und oberster norwegischer Chef in Deutschland. Er sollte das Bindeglied sein zwischen der Brigade, den Behörden zu Hause und den britischen Militärbehörden. Ausserdem hatte er die übergeordnete Zuständigkeit für die Ausbildung, Verwaltung und Jurisdiktion der norwegischen Truppen.
Vor der Abreise nach Deutschland führte das Personal einen Grundwehrdienst von 4 bis 6 Monaten durch, je nach der ganzen Dauer dieses Dienstes, der von 10 bis 12 Monaten dauerte. Es waren deshalb nicht fertig ausgebildete Einheiten, die nach Deutschland geschickt wurden. Die Ausbildung musste nach der Ankunft in Deutschland weitergeführt werden.
Die ersten drei Brigaden – Brig 471, 472 und 481 (die beiden ersten Ziffern bezeichnen das vorliegende Jahr und die letzte bezeichnet die Reihenfolge im vorliegenden Jahr) – wurden im Harzgebiet, südöstlich Hannover, stationiert. Die Landschaft hier bestand zum Teil aus waldbedeckten Hügeln und Bergen und erinnerte an Ostnorwegen. Norwegische Garnisonen wurden nach Braunschweig, Goslar, Northeim, Holzminden, Höxter, Göttingen und Bad Gandersheim verlegt.
Abgesehen von Braunschweig war das norwegische Verwaltungsgebiet wenig betroffen von den Zerstörungen des Krieges. Aber während der Transporte von Hamburg und südwärts durch Deutschland bekamen die Norweger immerhin einen schockierenden Eindruck von dem zerbombten und kriegsverheerten Land.

Sennelager.

Die Möglichkeiten, eine effektive Militärausbildung durchzuführen, waren viel besser in Deutschland als zu Hause in Norwegen. Die Unterkunftsverhältnisse waren ausgezeichnet und man hatte guten Zugang zu grossen Schiess- und Übungsfeldern, von Briten und Deutschen bedient. Kriegserfahrene britische Instrukteure nahmen am Unterricht teil, und es fehlte auch nicht an Nachschub von britischen Überschussbeständen. Norwegische
Soldatenausbildung ist kaum je besser gewesen als damals in Deutschland.
In der gespannten sicherheitspolitischen Situation, die nach dem kommunistischen Staatsstreich 1948 in der Tschechoslowakei entstand, und während der Berlinblokade
1948-49, gerieten die norwegischen Truppenabteilungen in eine ausgesetzte Lage im Grenz-Gebiet an der sowietischen Zone im Harzgebirge. Die Norweger mussten ausserdem immer öfter an der Kontrolle vom Verkehr über die Zonengrenze teilnehmen, in Zusammenarbeit mit Briten und deutscher Polizei. Im Juni 1948 wurde voller Einsatz geleistet in Verbindung mit der Geldsanierung in Westdeutschland und der Sowietblokade von Verkehrsverbindungen wischen Westberlin und der Bundesrepublik. Norwegische Soldaten risikierten schon von Anfang an in einen möglichen bewaffneten Konflikt zwischen den Grossmächten hinein-
gezogen zu werden, was nicht die Voraussetzung für die Anwesenheit in Deutschland gewesen war.
Die Behörden in Norwegen wollten deswegen die norwegischen Besatzungstruppen von der Zonengrenze wegziehen und näher einen Verschiffungshafen verlegen, bzw. die ganze Streitmacht nach Hause zurückziehen.
Nach einer erneuten Vereinbarung mit Grossbritannien wurden aber die norwegischen Einheiten im Herbst 1948 nach Schleswig-Holstein überführt. Über die Jahre gab es Garnisonen in Itzehoe, Neumünster, Rendsburg, Husum, Holtenau (nördlich Kiel), Schleswig und Flensburg.

Kasernen in Husum.

Aber auch in der flachen, offenen Landschaft von Schleswig-Holstein befanden sich die norwegischen Truppen in einer ausgesetzten Lage, unweit von der sowietischen Zonengrenze gleich östlich Kiel.
Für den Fall eines Krieges hatte man ursprünglich geplant, die norwegischen Truppen durch Dänemark zu evakuieren.Nach dem Ausbruch des Koreakrieges im Sommer 1950 beschloss aber die Regierung, dass die norwegischen Besatzungstruppen, zusammen mit den britischen und dänischen Einheiten in demselben Gebiet, insgesamt etwa 6500 Mann, für den Fall eines sowietischen Angriffs sich unter hinhaltendem Widerstand an die dänische Grenze zurückziehen sollten. Da die norwegischen Streitkräfte am zahlreichsten waren, sollte der Oberbefehlshaber der norwegischen Einheiten die Führung der gesamten alliierten Streitkräfte haben. Für den norwegischen General war das ein ausserordentlich grosser und schwieriger Auftrag im Vergleich mit dem Aufgebot von Streitkräften auf der anderen Seite der Zonengrenze.
In den Jahren 1950-52 wurden Verteidigungspläne mit dem Kielerkanal als erste Verteidigungslinie erarbeitet. Alle grösseren Brücken, Schleusen und Fährhäfen in den Gebieten am Kanal und an der Schlei und der Eider wurden für Sprengung vorbereitet.
Eine Bewerkstellung dieser Pläne hätte dazu geführt, dass alle Landverbindungen zwischen Skandinavien und Mitteleuropa abgebrochen worden wären. Um sich so gut wie möglich auf den schwierigen Auftrag vorzubereiten, wurden die abschliessenden Manöver der norwegischen Besatzungstruppen , die früher in den südlicheren Übungsgebieten stattgefunden hatten, ab 1952 nach Schleswig-Holstein verlegt.

Die Hochbrücke in Rendsburg.

Ausserdem wurde das norwegische Deutschlandkommando, das ursprünglich nur aus Verwaltungspersonal bestand, mit Personal für operative Planung und Leitung verstärkt.

Unter NATO-Kommando. General Eisenhower inspiziert Norwegische Dragoner.

Dieser Teil des Deutschlandkommandos, der das 6. Divisionskommando genannt wurde, ist später in Nordnorwegen erhalten worden.
Die Mannschaften der Besatzungstruppen hatten den Krieg und die unheilvolle Stimmung bei der deutschen Besetzung von Norwegen erlebt. Wie würden sie nach der Ankunft in Deutschland gegen die deutsche Bevölkerung reagieren? Anfangs gab es keine norwegischen Direktive, wie das Verhältnis zu den Deutschen sein sollte. Die britischen Vorschriften auf diesem Gebiet wurden deshalb auch für die Norweger geltend gemacht. Sie sollten ausserdem korrekt und zurückhaltend sein, mit möglichst wenig Verkehr mit den Deutschen. Einen direkten Verbot gab es allerdings nicht; es war eher eine Parole.
Die Eindrücke von den kümmerlichen Verhältnissen in Deutschland in den ersten Jahren machten keinen Platz für Gedanken an Rache und Vergeltung. In der Praxis war es auch unmöglich, die Verbindung zwischen den Norwegern und den Deutschen zu verhindern,besonders den Kontakt zu Vertretern des anderen Geschlechts.
Über die Jahre wurden viele dauerhafte Verbindungen zwischen Norwegern und Deutschen geknüpft, und im grossen und ganzen muss man behaupten können, dass die norwegische
militärische Anwesenheit während dieser 6 Jahre dazu beitrug, das Verhältnis nach dem zweiten Weltkrieg zwischen unseren beiden Ländern zu normalisieren.


Deutsche Kinder feiern Weinachten bei Brigade 522.

Für Jugendliche, die fünf lange Jahre in Norwegen eingesperrt gewesen waren, wurden die Urlaubsreisen in Deutschland und in Länder wie die Niederlande, Belgien, Frankreich,
Österreich, Italien und, nicht zu vergessen, Dänemark, ein grosses Erlebnis. Die Eindrücke, die nach Hause mitgebracht und über das ganze Land vermittelt wurden, haben wahrscheinlich zu einer im allgemeinen positiveren Einstellung zu späteren militärischen Einsätzen von der UNO und der NATO geführt.
Im April 1953 wurde die norwegische Beteiligung an der Besetzung und Verteidigung von Westdeutschland abgeschlossen, zugunsten des Aufbaus während des kalten Krieges von unserer eigenen Abwehr zu Hause, wobei der Aufbau des Abwehrs in Nordnorwegen den Vorrang bekam.

Urlaub.

Sowohl für das qualitative Niveau, das die norwegische Armee allmählich erzielt hat, als auch für die gute militärische Zusammenarbeit, die innerhalb der NATO-Allianz entwickelt ist, haben die Erfahrungen und Kenntnisse aus der Zeit in Deutschland zweifellos grosse Bedeutung gehabt. Die Veterane der norwegischen Besatzungstruppen bildeten ausserdem viele Jahre lang den wichtigsten Bestandteil der norwegischen Mobilisierungsabwehr.

Abschlussparade Schleswig Land 11. April 1953.

WIEDERSEHEN NACH 47 JAHREN.

Asbjørn Sørli und Werner Droge in Einbeck 1947.

Werner Droge und Asbjørn Sørli in Norwegen 1994.